Rechtmäßigkeit der Kappungsgrenzen-Verordnung des Landes Berlin

von | Samstag, 14.11.2015 | Mietrecht, Wohnraummietrecht

[vc_row][vc_column][vc_column_text]Die Kappungsgrenzen-Verordnung des Landes Berlin vom 07.05.2013 ist nach einer Entscheidung des BGH rechtmäßig. Daher ist die im gesamten Stadtgebiet Berlins geltende allgemeine Kappungsgrenze von 20 % für die Dauer von fünf Jahren auf 15 % herabgesetzt.

Dies hat der BGH in seinem Urteil vom 04.11.2015 zum Az. VIII ZR 217/14 entschieden.

In der Entscheidung ging es darum, dass der Mieter seit dem Jahr 2007 eine Wohnung in Berlin-Wedding angemietet hatte. Der Vermieter hatten mit einem Schreiben vom 01.09.2013 vom Mieter die Zustimmung zur Erhöhung der monatlichen Miete um 20 % gefordert und vertrat hierbei die Auffassung, die Berliner Kappungsgrenzen-Verordnung sei insbesondere deswegen unwirksam, weil diese die Kappungsgrenze für das gesamte Stadtgebiet Berlins herabsetze, obwohl nicht in allen Stadtteilen die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet sei. Der Beklagte stimmte nur einer Erhöhung um 15 % zu. Die weitergehende Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg.

In dem Revisionsverfahren hat der BGH die Urteile der Vorinstanzen bestätigt und entschieden, dass die Kappungsgrenzen-Verordnung des Landes Berlin rechtmäßig ist. Der Vermieter könne daher mit Blick auf § 558 Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB vom Mieter keine Zustimmung zu einer 15 % übersteigenden Mieterhöhung verlangen.

Die Zivilgerichte seien im Rahmen eines Rechtsstreits über ein Mieterhöhungsverlangen verpflichtet zu prüfen, ob eine von der Landesregierung erlassene Kappungsgrenzen-Verordnung den Anforderungen an die gesetzliche Ermächtigung in § 558 Abs. 3 Satz 3 BGB i.V.m. Satz 2 genügt und auch i.Ü. mit höherrangigem Recht in Einklang steht. Nach der Überzeugung des BGH beruht die Kappungsgrenzen-Verordnung auf einer verfassungsmäßigen Ermächtigungsgrundlage und überschreitet nicht den gesetzlichen Rahmen und genügt ihrerseits den verfassungsrechtlichen Anforderungen.
Die Ermächtigungsgrundlage für die Kappungsgrenzen-Verordnung (§ 558 Abs. 3 Satz 3 BGB) begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, so der BGH. Insbesondere verstoße sie nicht gegen die in Art. 14 Abs. 1 GG verbürgte Eigentumsgarantie, sondern erweise sich als zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG.

Die Kappungsgrenzen-Verordnung des Landes Berlin sei zudem von der Ermächtigungsgrundlage des § 558 Abs. 3 Satz 3 BGB gedeckt. Es ist nach Ansicht des BGH nicht zu beanstanden, dass der Berliner Senat die gesamte Stadt Berlin als Gebiet ausgewiesen hat, in dem die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet und daher die Mieterhöhungsmöglichkeit auf eine Steigerung um höchstens 15% begrenzt ist (vgl. § 558 Abs. 3 Satz 2 BGB). Der Gesetzgeber habe dem Verordnungsgeber als seinerseits demokratisch legitimiertes Rechtssetzungsorgan bei der Beurteilung und Ermittlung der für den Erlass der Verordnung nach § 558 Abs. 3 Satz 3 BGB maßgeblichen Umstände einen weiten wohnungsmarkt- und sozialpolitischen Beurteilungs- und Einschätzungsspielraum eingeräumt, der anhand der örtlichen Gegebenheiten ausgefüllt werden müsse. Dies gelte zunächst für die Festlegung der relevanten Gebiete nebst der Auswahl der Bezugsebene (gesamte Gemeinde oder Teile hiervon), aber auch für den zeitlichen Geltungsbereich der Verordnung und für die Auswahl geeigneter methodischer Ansätze. Diese Spielräume überschreite der Verordnungsgeber erst dann, wenn sich seine Erwägungen nicht mehr innerhalb der Zweckbindung der Ermächtigungsgrundlage bewegen und offensichtlich verfehlt sind.
Laut BGH hat der Berliner Senat die ihm eingeräumten Spielräume nicht überschritten. Denn es sei nicht feststellbar, dass etwa allein die Beschränkung der Gebietsbestimmung auf bestimmte Teile von Berlin sachgerecht gewesen wäre oder dass der Verordnungsgeber ungeeignete Indikatoren herangezogen hätte. Zutreffend sei der Berliner Senat bei Erlass der Verordnung davon ausgegangen, dass in Anbetracht des mit § 558 Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB verbundenen Regelungszwecks vom Gesetzgeber bei der Beurteilung der Mangellage eine Differenzierung nach Gemeindeteilen nicht zwingend vorgeschrieben wird. Es spreche auch nichts dafür, dass die zur Bestimmung der Wohnungsmarktsituation vom Berliner Senat herangezogenen Indikatoren ungeeignet gewesen wären. Soweit der Kläger abweichendes Datenmaterial heranziehe, lasse er zum einen außer Acht, dass dieses im Zusammenhang mit einem anderen Gesetzesvorhaben erhoben worden ist. Außerdem lasse er unberücksichtigt, dass Gerichte nicht ihre eigene Bewertung an die Stelle des weitreichenden Beurteilungs- und Einschätzungsspielraums des Verordnungsgebers setzen dürfen und daher nur überprüfen können, ob das methodische Konzept des Verordnungsgebers – so wie hier – tragfähig ist.

Die Kappungsgrenzen-Verordnung des Landes Berlin verletzt laut BGH auch keine Grundrechte des Vermieters. Insbesondere verstoße sie nicht gegen das Eigentumsgrundrecht (Art. 14 Abs. 1 GG). Die getroffene Maßnahme stelle einen verhältnismäßigen Eingriff dar. Der Senat von Berlin sei vor allem nicht gehalten gewesen, als mildere Maßnahme den Geltungsbereich der Verordnung nur auf einen Teil des Stadtgebiets zu erstrecken. Das wäre nur dann der Fall gewesen, wenn eindeutig feststünde, dass eine beschränkte Gebietsausweisung den mit der Verordnung angestrebten Zweck sachlich gleichwertig erreichen würde. Dabei sei zu berücksichtigen, dass dem Verordnungsgeber hinsichtlich der Einschätzung der Erforderlichkeit einer Maßnahme ein Beurteilungs- und Prognosespielraum zukommt. Dieser Spielraum sei hier nicht überschritten, denn mit einer stärkeren räumlichen Begrenzung der Verordnung wäre nicht in gleicher Weise rasch und wirksam eine Verlangsamung des Anstieges der Bestandsmieten zu erreichen. Die besondere Gefährdung einer ausreichenden Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen sei aufgrund der vor allem in Ballungsräumen, Industrie- und Universitätsstädten sowie in Städten mit herausgehobener zentraler Lage oder Funktion wirkenden vielfältigen Impulse und der hierdurch ausgelösten spezifischen Labilität des Wohnungsmarktes grundsätzlich räumlich nicht exakt eingrenzbar.

Gem. § 558 Abs. 3 S. 1 BGB darf sich die Miete bei Mieterhöhungen nach § 558 Abs. 1 BGB innerhalb von drei Jahren, von Erhöhungen nach den §§ 559 bis 560 abgesehen, nicht um mehr als 20 % erhöhen (Kappungsgrenze). Der Prozentsatz beträgt 15 %, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen in einer Gemeinde oder einem Teil einer Gemeinde besonders gefährdet ist und diese Gebiete durch Rechtsverordnung der Landesregierung bestimmt sind, § 558 Abs. 3 S. 3 BGB. Von dieser Bestimmung hat das Land Berlin – ebenso wie viele andere Landesregierungen – Gebrauch gemacht.

Zwar ist das vorliegende Urteil nur für das Land Berlin von Bedeutung, aber auch für andere Zivilgerichte gilt, dass diese inzident die Wirksamkeit einer Verordnung nach § 558 Abs. 3 BGB zu prüfen haben. Dabei ist zu beachten, dass der Verordnungsgeber einen weiten Beurteilungs- und Einschätzungsspielraums hat und deshalb die Verordnung z.B. auch auf das gesamte Stadtgebiet erstrecken darf. Auf Grund des weiten Beurteilungs- und Einschätzungsspielraums wird es zukünftig schwierig sein, Kappungsgrenzensenkungsverordnungen zu Fall zu bringen.

Für die Anwendung der Kappungsgrenzensenkungsverordnung kommt es maßgeblich auf den Zugang und nicht auf den Wirkungszeitpunkt des Mieterhöhungsverlangens oder das Datum einer gerichtlichen Entscheidung an. Ist z.B. in München das Mieterhöhungsverlangen vor dem 15.05.2013 zugegangen, kann der Vermieter die Kappungsgrenze nach § 558 Absatz 3 S. 1 BGB von 20 % ausschöpfen (LG München, Urteil vom 08.01.2014 – 14 S 25592/13, NZM 2014, 159).[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row]