Beseitigungsanspruch gegen eine Störung des Gemeinschaftseigentums

von | Freitag, 19.09.2014 | Allgemein, WEG-Recht, Wohnungseigentumsrecht

Der BGH hat entschieden, dass das Wissen des Verwalters den einzelnen Mitgliedern einer Wohnungseigentümergemeinschaft bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche als eigene Kenntnis i.S.v. § 199 I Nr. 2 BGB entsprechend § 166 BGB nur zugerechnet werden kann, wenn es sich um gemeinschaftsbezogene Ansprüche i.S.v. § 10 VI 3 3 Fall 1 WEG handelt oder wenn die Gemeinschaft Ansprüche der Wohnungseigentümer nach § 10 VI 3 Fall 2 WEG an sich gezogen hat.

Die Zurechnung der Kenntnis des Verwalters wirkt im Fall des § 10 VI 3 Fall 2 WEG nicht auf den Zeitpunkt der Kenntniserlangung zurück. (Leitsätze des Gerichts)

Die Parteien des Rechtsstreits sind die Mitglieder der klagenden Wohnungseigentümergemeinschaft; die Anlage besteht aus drei selbständigen Gebäuden. Eines dieser Gebäude bewohnten die Beklagten. Neben ihm befand sich ursprünglich eine Freifläche. Zu einem zwischen den Parteien streitigen Zeitpunkt vor einer Begehung des Gebäudes durch die Verwalterin am 22.07.2005 wurde dort eine Betonfläche als Grundlage einer Terrasse angelegt, zu deren Vollendung es aber nicht kam. Auf ihrer Versammlung am 11.05.2009 fassten die Wohnungseigentümer mehrheitlich den – bestandskräftigen – Beschluss, dass die Betonfläche zu beseitigen sei und der Erbauer sie auf eigene Kosten zurückzubauen und den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen habe. Die Verwalterin sollte den Rückbau schriftlich verlangen und bei fruchtlosem Verstreichen der Frist vor Gericht durchsetzen. Mit der am 31.12.2009 eingegangenen Klage verlangt die Wohnungseigentümergemeinschaft von den Beklagten den Rückbau der Fläche. Diese berufen sich auf Verjährung.

Das AG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Anliegen weiter.

Rechtliche Wertung

Der BGH hat die Sache zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch (der Wohnungseigentümer) auf Beseitigung einer Störung des Gemeinschaftseigentums aus § 1004 I BGB einerseits und aus § 15 III WEG andererseits sei nach den bislang getroffenen Feststellungen nicht mit dem Ende des Jahres 2008 verjährt.

Die Verjährung beginne nach § 199 I BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

Die von der Klägerin geltend gemachten Beseitigungsansprüche der Beigeladenen seien vor dem 31.12.2005 entstanden. Ein Beseitigungsanspruch gemäß § 1004 I BGB entstehe mit der Beeinträchtigung des (Gemeinschafts-) Eigentums. Die Beigeladenen müssten sich zwar das Wissen der Verwalterin, welches diese vor der Beschlussfassung am 11.05.2009 erlangt hat, zurechnen lassen, jedoch nicht rückwirkend.

Ob der Verwalter Wissensvertreter der Wohnungseigentümer auch ist, wenn es – wie hier – um ihre eigenen, nicht gemeinschaftlichen Ansprüche geht, sei umstritten. Richtigerweise könne das Wissen des Verwalters dem einzelnen Wohnungseigentümer nur zugerechnet werden, soweit die Durchsetzung der Ansprüche der Wohnungseigentümer nach § 10 VI 3 WEG der Wohnungseigentümergemeinschaft obliegt. Die vorliegende Vergemeinschaftung des Individualanspruchs wirke in dieser Fallgestaltung aber nicht auf den Zeitpunkt zurück, zu dem der Verwalter von dem Umstand Kenntnis erlangte. Zu diesem Zeitpunkt sei die Durchsetzung des Anspruchs nämlich noch keine Gemeinschaftsaufgabe gewesen. Die Verjährungsfrist liefe dann nämlich unter Umständen mit der Fassung des Vergemeinschaftungsbeschlusses ab, der eine Zurechnung von Wissen erst rechtfertigt.

Danach scheide hier eine Zurechnung des Verwalterwissens vor Mai 2009 aus.

Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Zunächst sei festzustellen, ob die Beigeladenen sämtlich bis zum Ablauf des Jahres 2005 von der Anlegung der Betonfläche und davon erfahren haben, wer dafür verantwortlich sei (§ 199 I Nr. 2 Fall 2 BGB). Sodann wird festzustellen sein, ob die Anlegung der Betonfläche andere Wohnungseigentümer in einem über das in § 14 Nr. 1 WEG bezeichnete Maß hinaus beeinträchtigt und welcher der Beklagten i.S.v. § 1004 I BGB als Störer anzusehen ist.

Der BGH hat vorliegend zutreffend entschieden, dass den Mitgliedern der Wohnungseigentümergemeinschaft das Wissen des Verwalters, das er im Zusammenhang mit der Ausübung seiner organschaftlichen Aufgaben erlangt oder erlangen könnte, als eigene Kenntnis für den Fall zuzurechnen ist, dass es sich entweder um gemeinschaftsbezogene Ansprüche i.S.v. § 10 VI 3 Fall 1 WEG handelt oder die Gemeinschaft Ansprüche der Wohnungseigentümer nach § 10 VI 3 Fall 2 WEG an sich gezogen hat; die Zurechnung der Kenntnis des Verwalters wirkt im Fall des § 10 VI 3 Fall 2 WEG nicht auf den Zeitpunkt der Kenntniserlangung zurück.

Im Falle der Verjährung des Beseitigungsanspruchs hätte jedenfalls jeder Wohnungseigentümer einen Anspruch darauf, dass der vom Störer rechtswidrig geschaffene Zustand auf Kosten des Gestörten beseitigt wird (BGH, Urteil vom 28.01.2011 – V ZR 141/10, NJW 2011, 1068). Denn der vom Störer geschaffene Zustand bleibt auch nach der Verjährung des Anspruchs aus § 1004 BGB rechtswidrig und muss daher nicht geduldet werden.

Der BGH hat vorliegend offen gelassen, ob die Wohnungseigentümer durch Beschluss eine eigenständige, von den gesetzlichen Ansprüchen der Wohnungseigentümer losgelöste Beseitigungspflicht begründen können. Ein bestandskräftiger Mehrheitsbeschluss, mit dem die Beseitigung einer baulichen Veränderung und die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands gefordert wird, begründet keinen materiell-rechtlichen Anspruch (Urteil vom 15.01.2010 – V ZR 72/09, NJW 2010, 3093; Urteil vom 18.06.2010 – V ZR 193/09, NJW 2010, 2801). In der Regel enthält ein solcher Beschluss bereits keine ausdrückliche Verpflichtung, sondern vielmehr nur eine Aufforderung, die bauliche Veränderung zu beseitigen, so dass bereits aus diesem Grund die Bestandskraft des Beschlusses nicht dazu führt, dass eine materielle Anspruchsgrundlage geschaffen wird.

Die Begründung eines Anspruches oder – im Fall des Bestehens – dessen Anerkenntnis oder Verstärkung einer Vereinbarung durch Beschluss ist wegen des Fehlens der Beschlusskompetenz nichtig (Wenzel NZM 2004, 542 f). im Zweifel ist davon auszugehen, dass die Wohnungseigentümer durch einen Mehrheitsbeschluss keine Vereinbarung treffen wollen, sondern eine Entscheidung in den Grenzen ordnungsmäßiger Verwaltung treffen wollen (KG, Beschluss vom 08.01.1997 – 24 W 5678/96, ZMR 1997, 318, 321; OLG Schleswig, Beschluss vom 14.03.1996 – 2 W 32/95, FGPrax 1996, 97). Ein solcher Beschluss ist deshalb in der Regel dahingehend auszulegen, dass die Wohnungseigentümer die Beseitigung verlangen.