Vorkaufsrecht des Mieters beim Verkauf des gesamten Mehrfamilienhauses

von | Freitag, 31.01.2014 | Mietrecht, WEG-Recht, Wohnraummietrecht, Wohnungseigentumsrecht

Das Vorkaufsrecht des Mieters nach § 577 I 1 Alt. 2 BGB entsteht bei dem Verkauf eines mit einem Mehrfamilienhaus bebauten ungeteilten Grundstücks nach der Auffassung des Bundesgerichtshofs (BGH) nur dann, wenn sich der Veräußerer vertraglich zur Durchführung der Aufteilung gemäß § 8 WEG verpflichtet und ferner die von dem Vorkaufsrecht erfasste zukünftige Wohnungseigentumseinheit in dem Vertrag bereits hinreichend bestimmt oder zumindest bestimmbar ist. Es entsteht in der Regel nicht, wenn erst die Erwerber Wohnungseigentum begründen sollen, und zwar auch dann nicht, wenn diese beabsichtigen, die neu geschaffenen Einheiten jeweils selbst zu nutzen („Erwerbermodell”).

Die Beklagte des vom BGH entschiedenen Falles war Eigentümerin eines mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks. Eine der vier in dem Gebäude vorhandenen Wohnungen war an die Klägerin vermietet. Nach Abschluss des Mietvertrages verkaufte die Beklagte den ungeteilten Grundbesitz an drei Erwerber. Diese ließen noch am gleichen Tag und bei demselben Notar eine Teilungsvereinbarung gemäß WEG beurkunden. Nach Umschreibung des Eigentums erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten, dass sie ihr auf BGB gestütztes Vorkaufsrecht ausübe. Mit der Klage will sie feststellen lassen, dass zwischen ihr und der Beklagten ein Kaufvertrag über die von ihr angemietete Wohnung zustande gekommen ist.

Nach Auffassung des BGH steht der Klägerin kein Vorkaufsrecht gemäß § 577 I 1 BGB zu. Danach ist ein Mieter zum Vorkauf berechtigt, wenn vermietete Wohnräume, an denen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet worden ist oder begründet werden soll, an einen Dritten verkauft werden. Zwar waren der Klägerin die Wohnräume im Zeitpunkt des Verkaufs als Mieterin überlassen. Ein Vorkaufsrecht nach der ersten Alternative scheide aber schon deshalb aus, weil das Wohnungseigentum erst nach dem Verkauf begründet worden ist; auch die Voraussetzungen für die zweite Alternative des § 577 I 1 BGB lägen nicht vor. Gegenstand des Vorkaufsrechts sei ein zwar sachenrechtlich noch nicht vorhandenes, aber in seiner Entstehung bereits angelegtes Wohnungseigentum. Deshalb müsse gewährleistet sein, dass der Mieter einen Anspruch auf die Begründung des Wohnungseigentums erwirbt. Dies sei nur der Fall, wenn der Verkäufer als Vorkaufsverpflichteter in dem Kaufvertrag eine Verpflichtung zur Aufteilung übernommen hat. Die Teilungserklärung des Veräußerers gegenüber dem Grundbuchamt nach § 8 WEG reiche für sich genommen nicht aus. Diese werde nämlich erst mit der Anlegung der Wohnungsgrundbücher wirksam und sei bis dahin frei widerruflich. Deshalb müsse die Auslegung des Kaufvertrags ergeben, dass die vollendete Aufteilung geschuldet ist; das könne auch aus einer Bezugnahme auf die Teilungserklärung folgen.

Vertragsgegenstand des (Vorkaufs-)Vertrags zwischen dem Veräußerer und dem Mieter ist nach Auffassung des BGH – sofern die weitere Voraussetzung erfüllt ist, das zukünftige Wohnungseigentum also vertraglich hinreichend bestimmt oder bestimmbar ist – die Durchführung der Aufteilung und Übereignung des an den von dem Mieter bewohnten Räumen neu begründeten Sondereigentums mit einem entsprechenden Miteigentumsanteil; als Gegenleistung schulde der Mieter den auf seine Wohnung entfallenden anteiligen Kaufpreis. Nicht ausreichend sei es dagegen, wenn die Aufteilung durch den oder die Erwerber durchgeführt werden soll. Vereinbaren mehrere Erwerber die Teilung gemäß § 3 WEG, so erwerbe der Mieter keinen Rechtsanspruch auf die Durchführung der Aufteilung. Werde die Teilungsvereinbarung – wie hier – erst nach dem Verkauf beurkundet, bestehe bei Abschluss des Kaufvertrags nur eine (noch) unverbindliche Umwandlungsabsicht; dies ergebe sich schon aus der Formbedürftigkeit einer Vereinbarung gemäß §§ 4 III WEG, 311b I BGB. Enthält der Vertrag keine Aufteilungspflicht des Verkäufers und sprechen die Erwerber vor oder nach Abschluss der Teilungsvereinbarung erfolgreich eine Kündigung wegen Eigenbedarfs aus, komme der Mieter nicht in den Genuss des Vorkaufsrechts, weil es an einer (weiteren) Veräußerung fehlt. Dieses Ergebnis sei deshalb hinzunehmen, weil – auch im Interesse des Mieters – verhindert werden müsse, dass er anstelle von Wohnungseigentum einen Miteigentumsanteil erwirbt, der es ihm nicht ermöglicht, die Aufteilung durchzusetzen. Andernfalls wäre die Ausübung des Vorkaufsrechts für den Mieter mit ganz erheblichen Risiken verbunden, die umso schwerer wögen, als die Ausübung ohne vorangehende notarielle Beratung durch privatschriftliche Erklärung erfolgen kann, § 577 III BGB.

Mit dieser Entscheidung ist eine kontroverse Frage bei der Auslegung des § 577 I 1 Alt. 2 BGB („Wohnungseigentum… begründet werden soll“) entschieden. Es war umstritten, wann die erforderliche Umwandlungsabsicht hinreichend manifestiert ist. und wann das Vorkaufsrecht bei „Erwerbermodellen” entsteht, bei denen – wie hier – ein Miethaus mit mehreren Wohnungen als Einheit an eine Mehrheit von Erwerbern verkauft wird, die erst nach dem Erwerb Wohnungseigentum begründen wollen, um die neu geschaffenen Einheiten jeweils selbst zu nutzen.

s. auch BGH, Urteil vom 22.11.2013 – V ZR 96/12